Cordovas – That Santa Fe Channel (2018)

Ziemlich genau 15 Jahre nach seinem Solodebüt hat Joe Firstman mit Cordovas endlich die Band, von der er immer geträumt hatte. Das erste Album von Cordovas ist ein wilder Ausritt im staubigen Niemandsland zwischen The Band, The Grateful Dead und den Eagles.

Cordovas - That Santa Fee Channel (2018)

Erschienen am 10. August 2018 auf ATO

Bei den Kritikern ist das lang erwartete Debüt von Joe Firstmans neuer Band Cordovas eher durchgefallen. Meistens wurde naserümpfend angemahnt, dass hier wie in einer Stilübung an der Kunsthochschule die ikonischen Leistungen der Vergangenheit zwar handwerklich ansprechend nachgeahmt, aber keine eigenen kreativen Errungenschaften auf den Weg gebracht werden. Das ist natürlich ein berechtigter Kritikpunkt, aber dem Publikum ist das herzlich egal. Und so können Cordovas seit Monaten von einer mittelgroßen Stadt in den USA in die nächste ziehen und täglich ein ausverkauftes Haus voller frenetischer Fans abfrühstücken.

Ein Vorgeschmack zur Single „This Town’s A Drag“ auf Youtube:

Für viele ist das harsche Urteil der Kritiker vielleicht auch eher so etwas wie eine Auszeichnung. Frei nach dem Motto: Diese elitären Typen finden eine Band scheiße, die wie die Dead klingen? Gekauft! Ähnlichkeiten zu aktuellen Trends in der politischen Meinungsbildung sind rein zufällig und sicher nicht beabsichtigt. Zumindest nicht von Cordovas, die ihr ganzes Herzblut in gute Songs und eine umwerfende Performance gesteckt haben. Große Teile des Albums wurden live aufgenommen und man kann die besondere Energie dieser Momente förmlich hören. Das ist kein innovativer Quantensprung, der dem übersättigten Kritiker eine perfekte Vorlage für eine steile These gibt. Joe Firstman und seine Kumpels machen einfach die Musik, für die sie brennen. Und das ist auch gut so.

Das ganze Album auf Spotify:


Ähnliche Platten:

Marla & David Celia – Daydreamers (2018)
Michael Rault: It’s a New Day Tonight (2018)
Bonny Doon – Long Wave (2018)

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Natalie Prass – The Future and the Past (2018)

Ihr erstes Album wurde 2015 als eines der besten Debütalben des Jahres gehandelt. Auf der zweiten Platte macht Natalie Prass noch mal einen großen Schritt nach vorne und liefert mindestens einen richtigen Hit ab.

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Erschienen am 1. Juni 2018 auf Caroline / ATO

Zwischen doppelbödigem Indie und völlig ungeniertem Pop ist es ein schmaler Grat. Genau auf diesem wandelt Natalie Prass in den letzten Jahren wie kaum eine andere Künstlerin. Bei genauerem Hinhören ist der Fall klar, hier singt eine engagierte junge Frau nicht nur sehr schön, sondern auch äußert eloquent über die Höhen und Abgründe des Lebens im 21. Jahrhundert. Auf ihrem Debüt 2015 versteckte sich der Tiefgang noch unter einer dicken Schicht Arrangement, wie Zuckerguss legten sich Bläser und Streicher über jeden Song. Damit ist jetzt Schluss: Die Ecken und Kanten werden freigelegt und der Groove gewinnt enorm an Schärfe und Durchschlagskraft.

Das Musikvideo zu Short Court Style auf Youtube:


Das macht schon richtig Spaß, wie Natalie Prass und ihre Band hier auf den Punkt spielen. Kaum eine Funkband in den Siebzigern hätte so etwas tighter abgeliefert, auch die absoluten Groove-Nerds von Vulfpeck würden wahrscheinlich anerkennend im Takt nicken. Ein mehr als solides Fundament, über dem Natalies schwerelose Stimme ihre Kreise ziehen kann. Extrem beweglich schwebt sie durch die Songs, meistens anschmiegsam aber an den entsprechenden Stromschnellen auch mit ausreichend Druck und Würze. Besonders beeindruckt die Performance, wenn es harmonisch etwas schräger zugeht und sich die Melodien nicht von selbst ergeben. Dann haucht Natalie Prass den bisweilen etwas sperrigen Jazz-Akkorden einfach mit ein paar Tönen den nötigen Pop-Appeal ein und sorgt damit für eine verblüffende Auflösung der musikalischen Spannung. Und mit etwas Glück könnte es trotz solcher Umwege gelingen, dieses insgesamt hervorragende Album auf dem Rücken des Hitpotentials von einigen Liedern auch mit einem gewissen kommerziellen Erfolg zu belohnen.

Das ganze Album auf Spotify:

Ähnliche Alben:

Amber Coffman – City of No Reply (2017)
Slow Dancer – In A Mood (2017)
Tops – Sugar at the Gate (2017)

 

Slow Dancer – In A Mood (2017)

Das Debüt-Album von Slow Dancer aus Melbourne macht aus Belanglosigkeit eine Tugend: Soft Rock im Stile der 70er und Bedroom-Pop von heute treffen sich auf halbem Wege um für 40 Minuten zu kuscheln. Das Ergebnis lässt sich nicht nur extrem gut durchhören, sondern enthält auch ein paar heimliche Hits.

SlowDancer
VÖ: 9.6.2017 auf ATO

Klingt fast ein bisschen wie: Boz Scaggs, Van Morrison, Christopher Cross
Stichworte: Abends / Sonne / Weißwein / Zu zweit

Wie aus dem Nichts tauchte dieses Album plötzlich auf ATO Records und in zahlreichen Musikmagazinen auf. Ein junger Australier namens Simon Okely hat es ganz allein in seinem Schlafzimmer in Melbourne eingespielt. Da würde man natürlich eher elektronische Spielereien und psychedelische Sounds erwarten, als perfektionistisches Pophandwerk und unmittelbare Eingängigkeit, wie sie zum Beispiel in Don’t Believe zu finden ist.

Slow Magic hat offensichtlich seine Hausaufgaben gemacht und arbeitet sich im Laufe der Platte an einer ganzen Reihe offensichtlicher großer Vorbilder ab, deren berühmte Songs heute noch im Radio laufen. Viele Musiker haben in den letzten 40 Jahren schon versucht, diese Erfolgsformeln zu kopieren, meistens wirkten die Ergebnisse aber nur altmodisch und abgelutscht. Dass der junge Australier ganz alleine nicht nur das Level der Vorbilder erreicht , sondern dabei auch noch frisch und irgendwie zeitgemäß klingt, ist schon eine besondere Leistung. Vor allem aber ist sein Debüt-Album eine Wundertüte voller musikalischer Süßigkeiten und für überreizte Kennergaumen eine willkommene Dirty Pleasure.

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Hooray for the Riff Raff – The Navigator (2017)

Hooray

VÖ: 10.3.2017 auf ATO
Klingt fast ein bisschen wie: Bob Dylan, Lila Downs, George Harrison (haha)
Passt gut zu: Feierabend, Sonnenbrille, Flaschenbier

Hinter dem leider etwas debilen Namen Hooray for the Riff Raff verbirgt sich die feste Band der Songschreiberin, Sängerin und Frontfrau Alynda Segarra, die ihrer Heimatstadt New York in diesem Konzeptalbum ein weiteres musikalisches Denkmal setzt. The Navigator ist eine Art Walking Tour durch verschiedene Stadtteile und soziale Biotope der Stadt, deren Bewohner und Geschichten sich sehr farbig in stilistischen Entscheidungen niederschlagen. Arbeiterschicksale erklingen in Form von bodenständigem Country Rock, das High Life Manhattans in nervösem 80er Post-Rock und idyllischer Folk entführt uns in grüne Vororte. Das ganze läuft in Form einer fiktiven Autobiographie einer Migrantin aus Puerto Rico ab, so dass auch immer wieder lateinamerikanische Rhythmen und Klangwelten angesteuert werden, teilweise sogar mit Texten in spanischer Sprache.

Das könnte alles furchtbar prätentiös wirken, aber Alynda Segarras hat viele dieser Milieus und ihre musikalischen Vorlieben von innen erlebt und vermeidet mit viel Gefühl den Verdacht der kulturellen Vereinnahmung. Vor allem sind ihre Songs aber einfach wahnsinnig gut geschrieben und die Band flaniert so natürlich und unbeschwert durch das Repertoire der Straßen New Yorks, dass Fans der Stadt, von Konzeptalben, Latin Rock und von musikalischer Handwerkskunst gleichermaßen glücklich werden. Und wer diese vier Leidenschaften sein eigen nennt, findet hier sogar eine potentielle neue Lieblingsplatte.