Outer Spaces – Gazing Globe (2019)

Alleine unterwegs in fernen Welten: Cara Beth Satalino reitet auf verspielten Gitarrenriffs los und entdeckt im Nirgendwo zwischen Jangle Pop und Post Punk ein bewohnbares Sonnensystem.

Western Vinyl Records / 28. Juni 2019

Nach dem 2016 erschienenen und durchaus vielversprechenden Debüt sah es erst mal nicht so aus, als würden wir irgendwann ein zweites Album von Outer Spaces geschenkt bekommen. Cara Beth Satalino entfernte ihren Partner Chester Gwazda nämlich nicht nur fürs erste aus ihrem Privatleben, sondern auch aus ihrem bis zu diesem Punkt gemeinsam gehegten Bandprojekt. Was für ein Glück für uns, dass sie ihn schließlich als Produzenten und Bassisten wieder zurückholte, um Gazing Globe aufzunehmen.

Die kreativen Entscheidungen und das Songwriting wollte sie jedoch selbst in der Hand behalten, was dem Album eine sehr persönliche Handschrift verleiht. Im Vergleich zum ersten Album fällt sofort ins Auge, dass Satalino sich als Gitarristin freigeschwommen hat und mit ihrem lebendigen Spiel das Bandgefüge dirigiert. Auch wenn die Songs nicht ganz ohne etwas abgedroschene Phrasen auskommen, kommt textlich einiges herüber und die handwerklich exzellenten Arrangements illustrieren die Inhalte mit vielschichtigen und abwechslungsreichen Klangwelten. Ein mehr als solides zweites Album mit einigen brillanten Momenten, die man immer wieder hören muss.

Nebenan im Plattenregal:
Sarah Bethe Nelson – Weird Glow (2019)
Stella Donnelly – Beware Of The Dogs (2019)
Living Hour – Softer Faces (2019)

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Rolling Blackouts Coastal Fever: Hope Downs (2018)

Die Australier von Rolling Blackouts Coastal Fever haben mit zwei gefälligen, aber eher bodenständigen EPs nicht wirklich für große Aufmerksamkeit gesorgt. Das dürfte sich mit ihrer ersten LP schnell enden, denn nur ganz wenige Debüts sind hinsichtlich Durchschlagskraft und Tiefe derart ausgereift.

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Erschienen am 15. Juni 2018 auf Sub Pop

Wenn der Bandname nicht mal ganz auf das Cover passt, sollten eigentlich alle Warnleuchten angehen. Doch nach ein paar Takten ist der Name auf jeden Fall gespeichert, Rolling Blackouts Coastal Fever beweisen nämlich mit absolut unwiderstehlicher Vehemenz, dass Post Punk noch lange nicht tot ist. Irgendwie verhedderte sich die Szene zuletzt zunehmend in unwichtigen Details, wurde lärmiger und näherte sich so für den äußeren Betrachter wieder dem barbarischen Sound an, den sie eigentlich hinter sich lassen wollte. Mit Rolling Blackouts Coastal Fever tritt jetzt eine junge australische Band auf den Plan, die nicht nur Television und Joy Division gehört hat, sondern sich offensichtlich auch mit auf den ersten Blick nicht unbedingt verwandten Strömungen wie College Rock und Jangle Pop auseinandergesetzt hat.

Das Musikvideo zu An Air Conditioned Man auf Youtube:

Das geht gut ins Ohr und dank der gnadenlos durchgeschrammelten Akustikgitarre auch direkt in die Beine. Natürlich wird das atemberaubende Tempo nicht über das ganze Album aufrechterhalten, durchaus aber die lyrische Griffigkeit und die unverwechselbar umeinander gewundenen Leadgitarren. Auch wenn die Songs nicht gleich auf eingängie Refrains abzielen, bleiben die entscheidenden Phrasen spätestens nach dem dritten Durchlauf felsenfest im Ohr hängen. So beweisen Rolling Blackouts Coastal Fever eindrucksvoll, dass richtig guter Indie Rock ursprünglich mal keine dreckig aufgeraute Popmusik war, sondern eine unendlich verfeinerte Variante von Punk. So schaffen es die Australier, ein nicht unbedeutendes Genre neu zu erfinden und ganz nebenbei erstaunlichen Tiefgang mit unmittelbarem Hörvergnügen unter einen Hut zu bringen. Aufgrund der enormen atmosphärischen Dichte erscheint die Platte wie eine kleine Welt für sich und bewirbt sich damit für die Position als Debüt, wenn nicht sogar Album des Jahres.


Das ganze Album auf Spotify:


Ähnliche Alben:

Destroyer: Ken (2018)
The War on Drugs: A Deeper Understanding (2017)
Courtney Barnett & Kurt Vile: Lotta Sea Lice (2017)

Destroyer – Ken: Erinnerungen an eine melancholische Jugend in den frühen 80ern

Als Mitglied der legendären The New Pornographers und spätestens mit dem letzten Solo-Album „Poison Season“ hat Destroyer schon längst den Durchbruch geschaft. Auf „Ken“ erfindet er sich mal wieder neu, diesmal als großer Melancholiker mit nostalgischen Gefühlen für die frühen 80s, irgendwo zwischen New Wave, Jangle Pop und College Rock.

Destroyer - Ken

20.10.2017 – Merge Records

Nachdem er auf dem überragenden Vorgängeralbum erfolgreich introvertiertes Storytelling mit Stadionrock à la Springsteen versöhnt hatte, musste Destroyer für seine mittlerweile elfte Platte erst mal eine geeignete Herausforderung finden. In seiner großzügigen Freizeit seit dem Ausstieg bei The New Pornographers hat er dann erst mal tief in sich hineingehört und dabei nicht nur die Musik seiner Jugend in den frühen 80ern wiederentdeckt, sondern auch eine bislang in diesem Ausmaß unbekannte Melancholie.

Wie auf vielen Platten in diesem Jahr feiert der Chorus als vorherrschender Effekt auch hier weiter sein Comeback. Allerdings nicht in der analogen Version der 70er mit seinem charakteristischen Schlingern, sondern in der kühlen Verzerrung der 80er. Das hat immer etwas leicht dystopisches, so als hätten die Saiten verlernt, mit der restlichen Welt in Harmonie zu schwingen. Dazu kommen viele programmierte Synthies und unbarmherzig alternierende Paare von Moll-Akkorden, die weitere dunkle Türen der Assoziation aufstoßen, vornehmlich in Richtung New Wave. Das wäre schwer zu ertragen, wenn Destroyer nicht hier und da mit einer genialen Wendung die erleichternde Kurve in versöhnlichere Gefilde bekommen würde.

Misanthropen, die zu diesem Album in die Wolken schauen werden, haben auch zu den folgenden Alben nachdenklich ihren Earl Grey getrunken:
Courtney Barnett & Kurt Vile – Lotta Sea Lice: Musikgewordenes Slackertum
Michael Nau – Some Twist: Ein Waldschrat entdeckt den Soul
H. Hawkline – I Romanticize: So geht Indie Rock 2017

Doug Tuttle – Peace Potato (2017)

Bisher pflegte Doug Tuttle einen sehr zugespitzten psychedelischen Sound. Auf seinem dritten Album öffnet er sich für verschiedene Spielarten amerikanischer Rockmusik und landet damit so manchen Volltreffer.

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VÖ: 5.5.2017 auf Trouble in Mind
Klingt fast ein bisschen wie: Tom Petty / Eels / Donovan
Stichworte: Nachmittag / Sonne / Kaffee / Alleine

Doug Tuttle ist als Sänger und Mastermind der Band Mmoss aus New Hampshire bekannt geworden, die man der sehr lebendigen Psychedelic-Szene Neuenglands zuordnen kann. Als Solist hat er bislang zwei mäßig erfolgreiche Alben veröffentlicht, auf denen er mehr oder weniger direkt an das Erfolgsrezept seiner Band anknüpfen wollte. Mit Peace Potato nimmt der langhaarige Spaßvogel jetzt eine überfällige Abzweigung und versucht sich am sogenannten Heartland Rock der 80er. Diese Stilrichtung war eine Gegenbewegung zum aufkommenden Plastikpop und orientierte sich stark an klassischen Vorbildern aus den 60er und 70er Jahren. Peace of Potato ist nicht zuletzt deshalb ein hörenswertes Album, weil Doug Tuttle auf sehr abwechslungsreiche Weise mit diesen historischen Schichten spielt und mit fast jedem Song neue Assoziationen weckt.

Squeeze – Argybargy (1980)

VÖ: Februar 1980
Namedropping: Television, The DB’s, The Kinks, The Shins
Passt gut zu: Dosenbier, Dielenboden und Donnerstagabend

Squeeze vereinigen auf ihrem dritten Album so viele Merkmale der 60er, 70er und 80er, dass sie fast wie eine der typisch unspezifischen Retrobands von heute klingen. Aber nur fast, denn einerseits gibt es hier eine einzigartige Dichte von großen Songs und andererseits atmet das Album von vorne bis hinten den Zeitgeist der postindustriellen Depression im Königreich. Mit Jools Holland (!) an den Keys erschaffen die Jungs scharf gezeichnete Charaktere und erzählen Geschichten, die scheinbar mühelos mit musikalischen Stilmitteln aus drei Jahrzehnten inszeniert werden. Eine der wenigen Platten, die man monatelang studieren oder auch einfach mal nebenher durchhören kann.