Erschienen am 26. April 2019 bei PTKF
Der ganz große Sänger war Craig Finn noch nie. Dafür ist er ein fantastischer Geschichtenerzähler, der Alben von romanhafter Dichte schreibt und mit unwiderstehlichem Feuer vorträgt. Seine Charaktere sind durch die Bank Verlierer, sie treffen in ihrem Leben die falschen Entscheidungen und der Gegenwind des Schicksals bläst ihnen bei jeder Gelegenheit ins Gesicht. Und doch liegt in seiner Musik keinerlei Verbitterung, die Resignation entpuppt sich als Erlösung von einem Kampf, den niemand gewinnen kann. Zusammen mit seiner Truckerstimme, der textlastigen Songsstrukturen und dem explizit amerikanischen Setting ist diese Grundstimmung nicht unbedingt das, was europäische Musikfans in Scharen mitreißt. Auch deshalb gehört Craig Finn wohl zu dieser eigenartigen Spezies von Rockern, die ihre Erfolge ausschließlich in Nordamerika feiern.
Ein kleiner Vorgeschmack auf Youtube:
Das ist schade, denn auch wer dem literarischen Aspekt von Popmusik nicht die allergrößte Aufmerksamkeit schenkt, kann mit diesem Album einiges erleben. Die ganze Palette an Stilmitteln zwischen Blues und R&B bis hin zu Country und Folk steht Craig Finn und seinem erweiterten Studio-Ensemble zur Verfügung, um die tief in der Rock-Tradition verwurzelten Geschichten des Albums atmosphärisch und stimmungsvoll zu inszenieren. Die Orgeln kreischen, schwerelos gleiten die Gitarrenmelodien dahin und hier und da gesellen sich Bläser oder sogar Chöre dazu. Das ist für unsere Ohren manchmal überladen, macht aber erstens durchweg inhaltlich Sinn und zweitens oft genug Platz für mühelos stromaufwärts schwimmende Grooves, wie sie nur gut abgehangene Rockmusiker nach vielen Jahren Tourleben hinkriegen. Und auch wenn Craig Finn international auch diesmal keine Bäume ausreißen wird, so hat er wenigstens seine bislang beste Platte abgeliefert und sich fest als einer der führenden Songpoeten des Rust Belts etabliert.
Das ganze Album bei Bandcamp:
Nebenan im Plattenregal:
Strand of Oaks – Eraserland (2019)
Cass McCombs – Tip of the Sphere (2019)
Steve Gunn – The Unseen in Between (2019)