TOPS – I Feel Alive (2020)

Indie Pop / Soft Rock / Synth Pop

Schon wieder viel zu viel Vodka Soda gestern Abend. Ich hab immer noch meine Trainingsjacke an und liege rückwärts auf der Couch. Die Sonne scheint mir direkt ins Gesicht und in der Glotze läuft seit 3 Uhr morgens Full House als Dauerschleife. So lebendig habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.

Nebenan im Plattenregal:
Tops – Sugar at the Gate (2017)
Jackson Macintosh – My Dark Side (2018)
Tops – Picture You Staring (2014)

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Jackson Macintosh – My Dark Side

Als Bassist von Tops, Sänger von Sheer Agony und Produzent von Homeshake hat sich Jackson Macintosh schon weit über seine Heimatstadt Montreal hinaus einen Namen in der Indieszene gemacht. Die Qualität des ersten Soloalbums unter eigenem Namen legt nahe, dass sein kreativer Input bei seinen bisherigen Projekten und Kollaborationen wohl deutlich höher war als bislang angenommen.

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Release: 2. März 2018 / Sinderlyn

Wer Bass spielt, steht oft im Hintergrund. Nicht nur auf der Bühne, sondern auch musikalisch und in der Wahrnehmung des Publikums. Dabei müsste spätestens seit Paul McCartney, Roger Waters und Sting klar sein, dass am Bass oft die Weichen gestellt werden für große Popmusik. Wer sich genauer mit den Bassläufen von Jackson McIntosh bei Tops beschäftigt, wird schnell feststellen, dass der Multi-Instrumentalist entscheidend zum unwiderstehlich schwerelosen Groove der Band beiträgt. Zum einen durch das Weglassen von genau den Tönen, die man nach Ansicht der Lehrkräfte für Bass an der örtlichen Musikschule unbedingt betonen muss. Zum anderen durch das Vermeiden und Umspielen von Grundtönen, die normalerweise eine Harmonie eindeutig befestigen würden.

Und auch auf der ersten Soloplatte unter eigenem Namen spielt der Bass eine entscheidende Rolle. In den Strophen der ersten Single „Lulu“ spielt er ohne Rücksicht auf den Rest des Geschehens seinen Stiefel herunter und sorgt so für eine reizvolle harmonische Spannung. Im Refrain übernimmt der Basslauf dann die Führung und gibt den anderen Instrumenten die Akkorde eindeutig vor. Im weiteren Verlauf der Platte lassen sich immer wieder solche Beobachtungen machen, allerdings rückt die vorzügliche Qualität des Songwritings und das delikate Arrangement immer weiter in den Vordergrund. Stilistisch bewegt sich alles mühelos zwischen eingängigem Soft Rock, psychedelischen Exkursen und elegantem Post-Punk. Kurz: Wer auf den spannenden Umbruch in der Popmusik zwischen den 70s und 80s steht, findet hier ein hervorragendes Album, dass sich an der für die Entstehung des heutigen Indie Pop entscheidenden Nahtstelle entlang in ungeahnte Tiefen vordringt. Ein rundum gelungenes Debüt, das auch das bisherige Wirken von Jackson MacIntosh als Bandmitglied und Produzent in einem neuen, deutlich helleren Licht erscheinen lässt.

Wer diese Platte als musikalische Untermalung einer Oolong-Verkostung zu schätzen wusste, wird vielleicht eines Tages zu den folgenden Alben eine Partie Canasta spielen:
Bunny – Bunny
Childhood – Universal High (2017)
Devon Sproule – The Gold String (2017)

Tops – Sugar at the Gate (2017)

2014 gelang den Mädels und Jungs von TOPS auf ihrem zweiten Album mit sonnigem Gitarrenpop der internationale Durchbruch. Inzwischen haben sie sich noch mal deutlich weiterentwickelt, glücklicherweise ohne ihre ansteckende Leichtigkeit einzubüßen.

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VÖ: 2.6.2017 auf Arbutus
Klingt fast ein bisschen wie: Fleetwood Mac, Tennis, Widowspeak
Stichworte: Nachmittags / Sonne / Kaffee / Mit Freunden

Drei Jahre Pause, ein Besetzungswechsel, ein Umzug aus der Heimat nach LA. Das sind nicht gerade die idealen Umstände für eine Band, um an den plötzlichen Erfolg mit einem grandiosen, aber auch sehr unbekümmerten Album wie Picture You Staring anzuknüpfen. Die Befürchtung lag nahe, dass sich die Truppe um Jane Penny verzettelte, dass sie sich vom Leben in der Großstadt ablenken ließ oder, noch schlimmer, alles ganz anders und womöglich schlechter zu machen als zuvor. Mit dem Erscheinen der zuckersüßen Vorab-Single Petals waren aber alle Zweifel schnell eliminiert. TOPS haben das Kunststück fertig gebracht, sich treu zu bleiben und trotzdem noch besser zu werden.

Und auch das Album hält was es verspricht: Superentspannter Gitarrenpop und intelligentes Songwriting treffen auf eine gesunde Portion schräge Ideen, die nicht nur in den Videos, sondern auch in den Texten und den Arrangements ihr unterhaltsames Unwesen treiben. Das ist einerseits grundsympathisch, andererseits aber auch ein notwendiger Gegenpol zu der Unmenge an musikalischem Honig, der einem entgegenfließt. Dabei ist die Produktion merklich rauer und weniger in sepiafarbene Vintage-Hallfahnen getaucht als bisher, der Gesang ist entweder hochaufgelöst direkt in unserem Ohr oder kommt leicht verzerrt aus dem Nebenraum. Clevere Kontraste dieser Art geben dem Ganzen eine erstaunliche Tiefe, die immer wieder zum erneuten Hören einlädt. Ein überzeugendes Album und ein nächster Schritt einer unglaublich talentierten Band auf dem langen Weg aus der Indie-Nische in die erste Liga der avancierten Popmusik für Erwachsene.

Fünf brandneue Alben für den Sommer

Von Juli bis September tut sich auch auf dem Musikmarkt ein Sommerloch mit epischen Ausmaßen auf. Aber keine Sorge, allein im Juni kommen so viele tolle Platten heraus, dass man damit locker bis zum Herbst durchhält. Viele Bands wollen nämlich unbedingt noch neue Musik veröffentlichen, bevor es richtig losgeht mit der Festivalsaison. 

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Irgendwann hat es mal ein schlauer Kopf von einer großen Plattenfirma gemerkt: Die Leute kaufen einfach viel weniger Musik, wenn sie sich irgendwo am Strand von der Sonne rösten lassen. Wenn man im Sommer in einen Plattenladen geht, sind in dem Regal mit den Neuerscheinungen deshalb oft genauso wenige Scheiben wie Wolken am blauen Himmel.

Das heißt aber nicht, dass im Sommer weniger Musik gehört wird. Gerade auf Reisen ist ein gutes Album immer noch eine der schönsten und beliebtesten Arten, sich die Zeit zu versüßen, egal ob im Autoradio oder mit Kopfhörern im Flugzeug. Und wer nicht wegfahren kann, nutzt vielleicht ab und zu die sommerliche Einsamkeit im Büro, um die Computerboxen mal richtig aufzudrehen und einen akustischen Kurzurlaub anzutreten. Damit ihr in jedem Fall gut über den Sommer kommt, sind die Neuerscheinungen für Juni im Soft Rock Café schon mal vorab hoch und runter gelaufen und dabei haben sich ein paar besonders heiße Tipps herauskristallisiert.

1. TOPS – Sugar at the gate

Um ihr drittes Album aufzunehmen, ist die bezaubernde Jane Penny mit ihren Jungs extra aus der Indie-Metropole Montreal nach LA gezogen. Das hat sich gelohnt, denn ihr Gitarrenpop klingt luftiger und sonniger denn je, auch wenn die Texte keineswegs so oberflächlich sind, wie es die sorglose Musik der Band vielleicht beim ersten Hören vermuten lässt. Das perfekte Album für einen Nachmittag am Strand oder für diesen Moment im Büro, wenn man einfach mal die Augen schließt um von einer einsamen Insel zu träumen.

Das Album und einen ausführlichen Artikel findet ihr ab dem 2.6.2017 hier!

2. Big Thief – Capacity


Wer sich von melancholischer Musik leicht runterziehen lässt, sollte sich dieses Album vielleicht eher für den letzten Urlaubstag aufheben. Denn Adrienne Lenker aus Brooklyn und ihre detailverliebte Band machen nicht nur wunderschöne Rockmusik mit einem Hauch Folk, sondern befassen sich auch mit tiefschürfenden Fragen nach dem Sinn der menschlichen Existenz und kommen dabei nicht nur zu positiven Schlussfolgerungen. Aber dennoch oder auch gerade deswegen ist Capacity ein geniales Album, zum Beispiel für eine weintrunkene Nacht auf dem Balkon.

Das Album und einen ausführlichen Artikel findet ihr ab dem 9.6.2017 hier!

3. Michael Nau – Some Twist

Michael Nau ist einer dieser klassischen Slackertypen, die keinen Gedanken an ihre Karriere verschwenden und lieber mit viel Herzblut ein Album nach dem anderen veröffentlichen. Diese entspannte Herangehensweise ans Leben ist für einen Moment lang extrem ansteckend, wenn er mit tiefer Stimme seine verhallten Folkperlen vorträgt. Da entsteht eine unglaublich dichte Atmosphäre, die ganz ähnlich wie Big Thief eher in ein nächtliches Setting passt, aber deutlich hoffnungsvoller in die Zukunft blicken lässt.

Das Album und einen ausführlichen Artikel findet ihr ab dem 16.6.2017 hier!

4. Fleet Foxes – Crack-up

Die Fleet Foxes muss man eigentlich nicht mehr groß vorstellen. Es versteht sich von selbst, dass dieses Album nicht nur von vielen Musikhörern und Fans, sondern auch innerhalb der Musikszene sehnlichst erwartet wird. Jeder will wissen, was die vielleicht einflussreichste Folkband unserer Zeit als nächstes macht, welche künstlerischen Richtungsentscheidungen getroffen werden. Auf jeden Fall gibt es wieder mehr traditionelle Klänge und sehr ausschweifende Songs, weshalb sich das Album zum Beispiel hervorragend dazu eignet, eine längere Autofahrt durch ländliche Gebiete zu untermalen.

Das Album und einen ausführlichen Artikel findet ihr ab dem 16.6.2017 hier!

5. The Deslondes – Hurry Home

Wer schon von der geringsten Prise Pedal Steel und Mundharmonika einen allergischen Schock bekommt, sollte von dieser Platte die Finger lassen. Leider ist die Country-Phobie gerade in Deutschland weit verbreitet, sodass die Vielfalt dieser gigantischen Musikwelt und Bands wie The Deslondes aus New Orleans hier weitestgehend unbeachtet bleiben. Das ist schade, denn die Jungs knüpfen nahtlos an ihr fantastisches Debüt-Album an und schenken uns den perfekten Soundtrack für eine Grillparty mit alten Freunden, viel Barbecuesoße und noch mehr Bourbon auf Eis.

Das Album und einen ausführlichen Artikel findet ihr ab dem 23.6.2017 hier!

Natürlich ist das nur eine ganz kleine Auswahl von vielen tollen Platten, die im Juni auf uns zukommen werden. Darunter gibt es große Namen wie Alt-J, London Grammar, Phoenix, Sufjan Stevens, Tindersticks und Saint Etienne, aber auch Geheimtipps wie Algiers und Kevin Morby. Ich werde natürlich versuchen, euch hier jede Woche so gut es geht auf dem Laufenden zu halten und noch weitere Alben für den Sommer für euch zu aufzuspüren. Und für alle Fälle gibt es ja auch noch das mittlerweile recht stattliche Archiv, in dem sich aktuelle Veröffentlichungen der letzten Monate aber auch wiederentdeckte Scheiben aus lange vergangenen Zeiten verstecken. Für Musik ist also reichlich gesorgt, jetzt müsst ihr nur noch die Getränke eurer Wahl kaltstellen und den Sommer genießen.

TOPS – Picture You Staring (2014)

Das zweite Album von TOPS ist auf den ersten Blick fast zu schön, um wahr zu sein. Aber wer gut aufpasst, hört zwischen den Zeilen eine Band, die eine Menge zu sagen hat und in ihrem detailreichen Spiel eine ganz eigene Ausdrucksweise findet.

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VÖ: 2.9.2014 auf Arbutus
Klingt fast ein bisschen wie: Fleetwood Mac, Tennis, Widowspeak
Passt gut zu: Sommerurlaub, Gartenparty, Obstkuchen

Es ist schwer zu beschreiben, was eigentlich das besondere an der Musik von TOPS aus Montreal ist, denn ihre Qualitäten liegen in oft vernachlässigten Feinheiten des Songwritings, des Arrangements und der Stilisierung. Mit ihrer Liebe zum Detail sind die Mädels und Jungs aber eine Ausnahmeerscheinung, die jedem interessierten Musikhörer sofort auffallen dürfte. Kein Wunder, dass die Veröffentlichung ihres zweiten Albums 2014 für einiges Aufsehen sorgte, denn reine Popmusik ohne elektronisches Geplänkel war zu diesem Zeitpunkt fast eine Art Rebellion. Aber zwei virtuose, aber nie in den Vordergrund drängelnde Gitarren und der ein oder andere Vintage-Synthie reichen eben aus, um beim inzwischen modisch gewordenen Retro-Bingo mit den Stilikonen der späten 70er und frühen 80er eine gute Figur zu machen, man muss nur wissen wie es geht. TOPS spielen auf der Klaviatur der Popmusikgeschichte wie ein unaufgeregter Jazzpianist, und kurz bevor es zu klebrig wird, kriegen sie immer sympathisch die Kurve in Richtung Weirdness. Ein zeitloses Album, das vielen Hörern und Musikern mal wieder gezeigt hat, dass sich Gefälligkeit und Niveau auch in der Popmusik nicht ausschließen müssen.

Das neue Album „Sugar at the Gate“ erscheint am 2.6.2017 auf Arbutus!