Daniel Romano – Finally Free (2018)

Folk Rock / Indie Rock / Indie Folk

Als es in den deutschen Großstädten noch nicht überall fließendes Wasser gab, gingen die Menschen regelmäßig in Badehäuser. Oft hatten diese keine Schwimmbecken, sondern nur Duschkabinen oder kleine Räume mit Badewannen. Dann traf man seine Nachbarn im Warteraum, lernte sich kennen und tauschte Neuigkeiten aus. Mit der Sanierungswelle in den Wirtschaftswunderjahren wurden flächendeckend Bäder in Privathäuser eingebaut, mit den nun obsoleten Badehäusern verschwand auch ihre Funktion als Ort der sozialen Begegnung. Nicht so in der Mannheimer Neckarstadt, wo die Menschen die Tradition des Badbesuchs bis in die Achtzigerjahre pflegten. Heute ist das Alte Volksbad in der Mittelstraße ein Kreativwirtschaftszentrum und im Keller gibt es eine sogenannte Geschichtswerkstatt, wo regelmäßig Veranstaltungen wie Flohmärkte und auch Konzerte stattfinden. Die ehemalige Kasse wird zur Bar umfunktioniert, es gibt gutes regionales Bier und die Stimmung ist aufgrund der Mischung von angereisten Musikfans und einem sehr begeisterungsfähigen Stammpublikum aus dem Viertel einzigartig. Nicht selten greift die Atmosphäre nach ein paar Songs auch auf die winzige Bühne über, ungläubige Blicke werden ausgetauscht, ein gewaltiger Ruck geht durch den Raum. Und irgendwann nach 10 Pils an einem Montagabend stehen alle mit selbstgedrehten Zigaretten auf der Straße und helfen, den Bandbus einzuladen.

Die oben beschriebenen Gegebenheiten im Alten Volksbad ließen sich auch bei Konzerten im Kontext der folgenden Alben beobachten:
Jess Williamson – Cosmic Wink (2018)
The 200s – Power Move (2019)
Daniel Romano – Modern Pressure (2017)

Daniel Romano – Modern Pressure (2017)

Daniel Romano aus Ontario ist eine Art Phantom in der kanadischen Folkrock-Szene. Mit seinem siebten Album könnte er es endlich schaffen, sich auch international zu etablieren.

ModernPressure

VÖ: 19.5.2017 auf New West
Klingt fast ein bisschen wie: The Band, The Faces, The Weakerthans
Stichworte: Abends / Sonne / Bier / Freunde

Als Multi-Instrumentalist hat man es nicht leicht, denn musikalische Ideen gerecht zu verteilen ist oft ein Kampf, der ja auch in Bands immer wieder ausgefochten werden muss. Daniel Romano hat auf seinen ersten sechs Alben im Bereich Arrangement seinen Talenten als Instrumentalist hier und da zu viel Zugeständnisse gemacht und damit immer wieder von seinen Qualitäten als Songwriter abgelenkt. Auf Modern Pressure zeigt er aber schon in den ersten paar Liedern eindrucksvoll, dass er auch songdienlich agieren kann, ohne dabei gleichförmig und eintönig zu klingen.

Und so rockt er sich zu 90% an der Gitarre durch ein Album, das aufgrund seiner unverbrauchten Frische klingt wie ein sehr gutes Debütalbum von einer Band, die gerade in der Garage den Schalter umgelegt hat und plötzlich, ohne selbst zu verstehen warum, mit traumwandlerischer Sicherheit und Spielfreude zusammenkommt. Und das ist nicht die schlechteste Visitenkarte für einen Mittdreißiger, der schon einige Alben und Tours auf dem Buckel hat, ohne wirklich den Durchbruch zu schaffen.